Weihnachtsgruß des DGHO-Vorstandes
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitglieder,
in der letzten Weihnachtsbotschaft sind wir mit dem Verweis auf das Wort des Jahres 2023 eingestiegen. „Krisenmodus“ hatte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) seinerzeit ausgewählt. Das Wort dieses Jahres lautet „Ampel-Aus“ und beschreibt den Bruch der rot-grün-gelben Regierungskoalition vor Ende der regulären Legislaturperiode. Ungewohnt früh im Jahresverlauf werden die Parteien in den Wahlkampfmodus schalten.
In der öffentlichen und medialen Debatte wird es auch um die vielfältigen gesundheitspolitischen Herausforderungen gehen, vor denen die Bundesrepublik Deutschland steht. Als wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaft werden wir uns engagiert in die Diskussionen einbringen. Dabei bleibt die von der Bundesregierung initiierte Gesundheitsreform ein zentrales Projekt, in das wir uns bereits in diesem Jahr intensiv „eingemischt“ haben.
Die Hämatologie und Medizinische Onkologie ist eines der innovativsten und aufgrund der häufig lebensbedrohlichen Krankheitsbilder auch besonders wichtiges Feld der Medizin. Wir unterstützen die Intention der Krankenhausreform mit Stärkung qualifizierter Zentren bei wohnortnaher Versorgung. Allerdings werden die festgelegten Strukturkriterien den Aufgaben in der Hämatologie und Medizinischen Onkologie nicht gerecht. Denn: Das erarbeitete Modell entspricht nicht dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens. Die Innovationen in unserem Fachgebiet haben die politischen Entscheidungen mit Blick auf die festgelegten Leistungsbereiche längst überholt – wenn nicht gar „überrannt“. Das haben wir in Stellungnahmen, unter anderem an den Bundesminister für Gesundheit Prof. Karl Lauterbach, deutlich kommuniziert und hier konkrete Vorschläge gemacht. Wir werden uns weiterhin entsprechend unserer obersten Maxime, eine optimale Versorgung unserer Patientinnen und Patienten sicherzustellen, engagieren.
Dass die DGHO im Kreise der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und in der Gesundheitspolitik eine hohe Wertschätzung besitzt, ist Ergebnis des gemeinsamen Engagements aller Mitglieder. Deutliche Akzente konnten wir in diesem Jahr beispielsweise mit unserer Forderung zur Berücksichtigung von akademisch initiierten klinischen Studien im Medizinforschungsgesetz setzen. Wir rufen alle Mitglieder auf, die dadurch eröffneten Möglichkeiten zu nutzen.
Netzwerken und persönlicher Erfahrungsaustausch sind für unser Fachgebiet von zentraler Bedeutung. Das hat die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie erneut eindrucksvoll bewiesen. Mehr als 5.500 Teilnehmende waren in Basel dabei. Gibt es einen Grundtenor? Ja, den gibt es: Eine unerlässliche – interdisziplinäre und interprofessionelle – Plattform für Expertinnen und Experten, aktuelle Forschungsergebnisse in einem offenen Dialog zu diskutieren und voneinander zu lernen.
Die spezifischen Probleme, vor denen junge Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen und die sie behandelnden Ärztinnen und Ärzte im heutigen Versorgungssystem stehen, waren für die DGHO im Jahr 2014 die entscheidende Triebfeder für die Gründung der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. Seither fühlt sich unsere Fachgesellschaft gemeinsam mit der Stiftung hier verpflichtet. Dabei ist es nicht nur Verpflichtung, sondern ein tiefes Selbstverständnis, die medizinischen und psychosozialen Unterstützungsangebote für junge Erwachsene mit Krebs zu verbessern. Durch das gemeinsame Engagement von Stiftung und jungen Betroffenen hat sich die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs zehn Jahre nach ihrer Gründung zu einer bundesweit einzigartigen Institution entwickelt.
Helmut Schmidt soll – mutmaßlich im Rahmen des Bundestagswahlkampfes 1980 – gesagt haben: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“. Zum konkreten situativen Kontext finden sich verschiedene Erklärungen. Lassen Sie uns den Begriff der Vision an dieser Stelle nicht als ein wie auch immer geartetes metaphysisches Phänomen, sondern vielmehr als Idee verstehen. Eine Idee, zu der wir noch gar nicht sagen können, ob sie umsetzbar ist oder nur hoffnungsvolle Utopie bleibt.
Für uns gehört es zum Standard, bei hämatologischen und onkologischen Erkrankungen per Next Generation Sequencing genetische Subtypen von bestimmten Entitäten zu identifizieren und unsere Patientinnen und Patienten so mit passgenauen Arzneimitteln sehr gezielt zu behandeln. Warum können wir das? Wir können das auch, weil James Watson und Francis Crick auf Basis von Arbeiten mit weiteren Kolleginnen und Kollegen im Jahr 1953 die Struktur der DNA entschlüsselt haben. Auch hier stand ganz am Anfang eine Idee. Diese war Ursprung für all die Phantasie, die Leidenschaft und die maximale Hinwendung zum Forschungsgegenstand.
Heute stehen uns vielfältige Bildgebungsverfahren in der Diagnostik und im Rahmen von strahlentherapeutischen Verfahren bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Tumorerkrankungen zur Verfügung. Mit dem PET-MRT sind wir in der Lage, die Volumetrie der aktuellen Tumorlast genau zu bestimmen. Mit dem Gamma-Knife können wir Tumoren im Gehirn hochpräzise und mit möglichst wenig Schäden für das Gewebeumfeld bestrahlen. Warum können wir das? Wir können das auch, weil Wilhelm Conrad Röntgen im Jahr 1895 die seinerzeit von ihm benannten „X-Strahlen“ entdeckte. Das Bild seiner durchleuchteten Hand und des gut sichtbaren Eherings haben wir alle vor Augen. Heute schicken wir unsere Patientinnen und Patienten „zum Röntgen“.
All das kann und soll nicht in Abrede stellen, dass sachliche und strukturelle Rahmenbedingungen existieren. Sowohl in Wissenschaft als auch im Bereich der Gesundheitspolitik gibt es nicht einfach Ideen, die 1:1 umgesetzt werden können. In der Forschung werden Ideen diskutiert und Hypothesen gegebenenfalls verworfen und neu formuliert. Das gilt auch für die Gesundheitspolitik. Hier müssen die politische und die wissenschaftliche Dimension zusammengebracht werden. Dieser Diskussionsprozess ist dann wertvoll, wenn die beteiligten Akteure in gegenseitigem Respekt die jeweilige Expertise ihres Gegenübers als Gewinn für die Idee verstehen.
Wir, der Vorstand der DGHO, möchten gemeinsam mit Ihnen Ideen entwickeln, um Existierendes zu verbessern und Neues auf den Weg zu bringen. Projekte gibt es genug: Als Beispiel sei hier nur die frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel auf europäischer Ebene genannt. Neben fachlichen Aspekten und bürokratischen Zwängen wird auch hier die respektvolle Kommunikation der beteiligten Akteure mit darüber entscheiden, ob aus der Idee ein Erfolg für unsere Patientinnen und Patienten wird.
Mit Ihnen – liebe Mitglieder der DGHO – möchten wir auch im Rahmen der Frühjahrstagung am Freitag, 14. März 2025, diskutieren. Themen werden sein: ATMPs in der Hämatologie und Onkologie, Nutzung von Registern zur Verbesserung der Patientenversorgung sowie der Einfluss von Künstlicher Intelligenz in unserem Fachgebiet. Auch hier der Begriff der Vision – denken wir nur an die Ursprünge der KI.
Wir möchten uns für die wertschätzende, respektvolle und professionelle Zusammenarbeit mit Ihnen und für das in uns gesetzte Vertrauen bedanken. Es erfüllt uns mit Stolz, Vorstand einer so lebendigen Fachgesellschaft sein zu dürfen!
Gemeinsam mit den Teams der DGHO e.V., der DGHO Service GmbH und der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs wünschen wir Ihnen mit Ihren Familien, Ihren Freundinnen und Freunden schöne Weihnachtstage und für das neue Jahr alles Gute!
Herzliche Grüße,
Andreas Hochhaus
Claudia Baldus
Martin Bentz
Carsten-Oliver Schulz