Gründung eines Arbeitskreises „Klonale Hämatopoese“ in der DGHO

05.09.2023

Das Akronym „CHIP“ steht für klonale Hämatopoese (CH) unbestimmten Potentials (clonal hematopoiesis of indeterminate potential). Unter diesem im Jahr 2015 eingeführten Begriff versteht man das Vorliegen somatischer Mutationen in hämatopoetischen Stamm- oder Vorläuferzellen ohne Anzeichen einer hämatologischen Neoplasie oder Zytopenien und mit einer varianten Allelfrequenz (VAF) im peripheren Blut von mindestens 2%. Die Häufigkeit von CHIP nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Während nur in <1% der Menschen unter 40 Jahre eine CHIP detektiert wurde, liegt die Prävalenz ab einem Alter von 70 Jahren bei 15 bis 20%. Die Prävalenz von CH Mutationen steigt bereits ab etwa 50 Jahren stark an und erreicht mit neueren Verfahren und einer Nachweisgrenze von 0.5-1% nahezu 100%. Die klinische Bedeutung von Mutationen an der unteren Nachweisgrenze (<2%) ist zurzeit allerdings noch unklar.

CHIP gilt als prämaligner Zustand und prädisponiert für die Entwicklung einer hämatologischen Neoplasie. Zusätzlich haben Träger von CHIP Mutationen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen (Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall) und metabolischer Erkrankungen wie z.B. Diabetes, Gicht und Osteoporose sowie eine deutlich erhöhte Gesamtmortalität. Damit ist CHIP ein unabhängiger Risikofaktor für zahlreiche Alterserkrankungen. Das Vorhandensein eines CHIP-Klons ist auch in der Tumortherapie von zunehmender Bedeutung, da Chemo-, Strahlen- und Immuntherapien als extrinsische Stressoren des hämatopoetischen Systems zur selektiven Expansion von mutierten Stammzellen und in der Folge zur Ausbildung therapieassoziierter myeloischer Neoplasien führen können. Auch in Hinblick auf zelluläre Therapien wie z. B. der autologen oder allogenen Stammzell-Transplantation mehren sich die Hinweise, dass das Vorliegen von CH-Klonen im Transplantat den Verlauf der Transplantation beeinflussen kann. Aus diagnostischen Aspekten ist erwähnenswert, dass CH eine Interferenz im Rahmen von liquid biopsy Untersuchungen bedingen und somit eine Fehl-Interpretation von Befunden auslösen kann.

Trotz aller oben genannter Assoziationen entwickeln nicht alle Personen mit CH hämatologische oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Daher ist die Identifizierung von Prädiktoren für die Entwicklung CHIP-assoziierter Erkrankungen von großer Bedeutung. Das Risiko scheint abhängig von Klongröße sowie Art und Anzahl der Mutationen zu sein. Eine besondere Herausforderung sehen wir in der Frage, wie einzelne Patienten umfassend und korrekt beraten werden sollten. Insbesondere die Information, dass ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Blutkrebs gegeben ist, kann erhebliche Ängste auslösen. Daher ist hier die Etablierung von klinisch anwendbaren und evidenzbasierten Leitlinien notwendig. Dies sollte unter Berücksichtigung von individuellen Lebensstilen, Verhaltensweisen und Umwelteinflüssen in der Beratung zukünftig eine Rolle spielen. Durch die Zunahme von Sequenzierungen in der medizinischen Diagnostik in vielen Bereichen ist abzusehen, dass CH zukünftig deutlich häufiger als Zufallsbefund auffallen wird. Vor diesem Hintergrund besteht eine hohe Notwendigkeit, Handlungsempfehlungen zum Umgang mit einem CH-Befund zu formulieren. Der Vorstand begrüßt daher die Initiative von Prof. Dr. med. Katharina Götze (München) und Prof. Dr. med. Frederik Damm (Berlin) zur Gründung eines Arbeitskreises „Klonale Hämatopoese“.

Die DGHO unterhält mehr als 30 themenzentrierte Arbeitskreise, die sich intensiv mit bestimmten Themen unseres Fachgebiets widmen. Dieses Engagement der Kolleginnen und Kollegen trägt maßgeblich zur inhaltlichen Arbeit unserer Fachgesellschaft bei. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass ein entsprechender Arbeitskreis in der DGHO fachlich breit und interprofessionell aufgestellt sein sollte und Kolleginnen und Kollegen relevanter Fachgesellschaften – z. B. Kardiologie, Humangenetik, Labormedizin, Pathologie – schon zu Beginn des Gründungsprozesses aktiv kontaktiert und zur Mitarbeit aufgerufen werden sollten. Idealerweise sollten Fachdisziplinen wie die Hämatologie und Onkologie, die Kardiologie und ggfs. weitere internistische Fachgebiete mit Genetikerinnen und Genetikern, Psychologinnen und Psychologen sowie Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberatern interdisziplinär zusammenarbeiten, um für Patientinnen und Patienten mit klonaler Hämatopoese einen adäquaten Screening- und ggfs. Behandlungsplan zu erstellen. Perspektivisch bieten CHIP Ambulanzen die Möglichkeit, präventive und früh-interventionelle Maßnahmen für Patienten mit klonaler Hämatopoese innerhalb prospektiver klinischer Studien zu evaluieren.

Der Arbeitskreis „Klonale Hämatopoese“ soll dazu dienen, die bestehenden Aktivitäten in diesem Bereich zu koordinieren, Leitlinien zu entwickeln sowie gemeinsam neue Ideen für präklinische und klinische Studien auf den Weg zu bringen. Durch gemeinsame Forschungsanträge und klinikübergreifende Projekte sowie Publikationen zum Thema möchten wir den Bereich „klonale Hämatopoese“ in der Hämatologie und Onkologie gemeinsam mitgestalten. Außerdem soll dieser Arbeitskreis aktiv bei der Gestaltung von Veranstaltungen der DGHO mitwirken. Zur Gründung dieses neuen Arbeitskreises möchten wir sehr gerne zu einer offenen Diskussion einladen, und freuen uns sehr über Ihre Rückmeldung und Ihre aktive Mitgestaltung.

KATHARINA GÖTZE & FREDERIK DAMM

Die Gründungssitzung wird im Rahmen der Jahrestagung in Hamburg stattfinden.
Bei Rückfragen oder Interesse kontaktieren Sie uns gern arbeitskreise@dgho.de.