Spiritual Care eine spirituelle Begleitung nur in engen medizinethischen Kontexten erfolgen, denn ein Eingehen auf spirituelle Nöte kann sowohl im Sinne einer Ressourcenfreisetzung nutzen als auch Probleme und Nöte verstärken und somit schaden. Auch sollten Inhalte und Ausmaß des Eingehens auf diese der Erkrankungs und Lebenssituation des Pat. angemessen erfolgen. Spirituelle Ausrichtungen haben erheblichen Ein fluss auf medizinische Entscheidungsfindungen, psychische Reaktionen und soziale Aktivität. Von daher wird die suppor tive Spiritual Care immer auch eine berufsgruppenspezifi sche Prägung erfahren. Onkologie ist ein multiprofessionelles und interdiszip linäres Fach, erfordert somit häufig – in der Palliativsitua tion regelhaft – Teamarbeit. Gerade weil sich die Erkrankten ihre Gesprächspartner für spirituellen Fragen selbst suchen, stellen Zuverlässigkeit und Kontinuität der Betreuung ein hohes Gut dar. Im Rahmen von Spiritual Care konnte Wirk samkeit in Bezug auf eine Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität sowie des spirituellen Wohlfühlens für personenzentrierte Verfahren analog der würdezentrierten Therapie nach Chochinov, der existenziellen Kommunika tion, der bedeutungszentrierten Therapie (MCT) sowie der Biographiearbeit nachgewiesen werden. Aber auch für die nonverbalen Verfahren – besonders bedeutsam für verbal kommunikativ eingeschränkte Pat. – wie Naturerleben, ba sale Stimulation, Kreativtherapien ließen sich positive Aus wirkungen nachweisen (11). Wichtig ist, dass sich die spiritu ellen Bedürfnisse und Zugänge im Verlauf einer Erkrankung durchaus ändern können. Mit Blick auf unsere ethnisch, kul turell, weltanschaulich, religiös und sozial außerordentlich diverse Gesellschaft erfordert jedes Eingehen auf die Spiri tualität immer auch eine transkulturelle Herangehensweise. Keineswegs darf dem Patienten die eigene Weltanschauung übergestülpt werden (12). Rahmenbedingungen von Spiritual Care Leider erfahren Pat. selbst in weit fortgeschrittenen Erkran kungsstadien mehrheitlich kein Eingehen auf ihre spiri tuellen Fragen und Nöte. Als ursächlich werden hierfür zum einen die noch nicht akzeptierte Zuständigkeit der jeweils ei genen Profession für die spirituellen und existenziellen Fra gen der Pat., mangelnde Kompetenz im Umgang mit diesen Bedürfnissen sowie unzureichende personelle, strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen angesehen (13). Da macht es Hoffnung, dass die Einbeziehung von Spiritual Care in die Aus, Fort und Weiterbildungen sich als wirksam sowohl für die Versorgungsqualität und die Zufriedenheit al ler Beteiligten erwiesen hat (5)1. Gelebte Spiritual Care setzt immer voraus, dass die vier medizinethischen Prinzipien der Autonomie, des Nutzen Wollens, des Schaden Verhinderns sowie der Angemessenheit des Handelns eine Ergänzung durch die Sorgeethik erfahren. Die von G. Maio als Sorgerationalität beschriebene Grund haltung verhindert, dass die Onkologie zu einer anonymen Durchschleusungsmaschinerie wird, und die Medizin wieder zu ihren Ursprüngen der ganzheitlichen Sorge um den Men schen zurückkehrt (15). So hat die Integration von Spiritual Care als der Sorge um die Spiritualität des anderen und der eigenen in den Behandlungsalltag nachweislich positive Aus wirkungen auf den Teamgeist, fördert so Resilienz und wirkt präventiv bzgl. emotionaler Distanzierung und Berufsflucht. 1 Eine Option ist das von der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin anerkannte vierzigstündige multiprofessionelle Curriculum Spiritual ECi®. Zusammenfassung Onkologinnen und Onkologen sollten Ansprechpartner für die spirituellen Fragen ihrer Pat. sein, 1. weil die Konfrontation mit einer schweren Erkrankung und / oder dem herannahenden Lebensende bei mehr als 80 % der Pat. spirituelle und existenzielle Fragen auf wirft. 2. weil sich die Pat. mehrheitlich die sie betreuenden Ärzte und Pflegenden als Ansprechpartner auch für diesen Be reich wünschen. 3. weil spirituelle Faktoren im Umgang mit Krankheit und Sterben nicht selten sowohl eine Ressource als auch eine Belastung darstellen und sie Einfluss auf therapeutische Entscheidungen haben. 4. weil sie selber in ihrem Berufsalltag davon profitieren. L I T E R AT U R 1. Weiher E (2014): Das Geheimnis des Lebens berühren. Spiritualität bei Krankheit Sterben und Tod Eine Grammatik für Helfende. 4. Auflage Kohlhammer Verlag Stuttgart 2. Büssing A (2021c): Verwendung eines orientierenden Spiritual Needs Screeners bei onkologischen Patienten. 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