Jahrestagung 2022: Hämatologie und Medizinische Onkologie 2022: Innovation und Dynamik, Vernetzung und Dialog

Berlin / Wien, 11. Oktober 2022
Jahrestagung 2022 der DGHO, OeGHO, SGMO und SGH vom 7. bis 10. Oktober 2022 in Wien

Der persönliche Austausch ist in der Hämatologie und Medizinischen Onkologie unersetzlich, und die internationale Kollaboration wird – gerade auf europäischer Ebene – immer wichtiger. So lässt sich das Fazit zur Jahrestagung 2022 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Fachgesellschaften auf den Punkt bringen. Vom 7. bis 10. Oktober hatten sich rund 4.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Wien zusammengefunden – nach einer digitalen sowie einer hybriden Ausgabe war der Kongress nun erstmals wieder vollständig als Präsenzveranstaltung ausgerichtet worden. Das umfangreiche Wissenschafts- und Fortbildungsprogramm hatte über 1.000 hochkarätig besetzte Vorträge zu den aktuellsten Fragestellungen der Hämatologie und Medizinischen Onkologie sowie rund 650 Abstracts zu bieten. Zwölf Prozent der Speaker kamen aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland und unterstrichen den verstärkten internationalen Fokus.

Europa – ein Gesundheitsraum
Prof. Dr. Elizabeth Macintyre, Präsidentin der European Hematology Association (EHA), und Prof. Dr. Andrés Cervantes, gewählter Präsident der European Society for Medical Oncology (ESMO), bereicherten mit ihren Vorträgen die offizielle Kongresseröffnung. „Dass wir diese und weitere renommierte Speaker für unsere Jahrestagung gewinnen konnten, zeigt den Stellenwert, den die deutschsprachige Hämatologie und Onkologie im internationalen Kontext einnimmt“, resümierte Univ.-Prof. Dr. Matthias Preusser, Kongresspräsident und Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Wien. Spätestens seit der COVID-19-Pandemie sei Europa als zusammenhängender Gesundheitsraum Realität geworden, betonte Macintyre und warb für die europäische Zusammenarbeit der medizinischen Fach-Community.

Viele neue Krebspäparate: Wie funktioniert die Bewertung?
Das Thema europäische Zusammenarbeit zog sich wie ein roter Faden durch den größten, jährlich stattfindenden Krebskongress im deutschsprachigen Raum. Ein wichtiges Thema dabei: die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel, die derzeit von jedem Land eigenständig vorgenommen wird. Als eines der innovativsten und dynamischsten Fachgebiete der Medizin befinde sich die Hämatologie und Medizinische Onkologie mitten in einer regelrechten Wissensexplosion, die laufend neue Therapien hervorbringe, so Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Würzburg. Mehr Innovation bedeute auch höhere Kosten, und die Nutzenbewertung eines neuen Medikaments rücke in den Vordergrund. „In Deutschland greift das sogenannte AMNOG-Verfahren. Rund 50 Prozent aller zu bewertenden Arzneimittel sind Krebspräparate. In diese Bewertungen ist die DGHO beratend eingebunden – rund 150 sind es aktuell im Jahr, Tendenz steigend.“ Maßstab für die Nutzenbewertung und Preisfestlegung sei derzeit noch das Gesamtüberleben der Patientinnen und Patienten. „Als Fachgesellschaft plädieren wir dafür, hier künftig stärker patientenbezogene Paramater einzubeziehen, etwa die Symptomminderung und -verhinderung sowie Nebenwirkungen, also alles, was die Lebensqualität betrifft“, führte Einsele auf der Jahrestagung weiter aus.

Auf dem Feld der Nutzenbewertung neuer Krebstherapien sei eine europäische Vernetzung zu begrüßen, konstatierte Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Präsident der OeGHO und Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung am Zentrum für Onkologie und Hämatologie der Klinik Ottakring in Wien. „Österreich ist ein kleines, föderal organisiertes Land, dem ein europäischer Prozess zur gemeinsamen Nutzenbewertung zugute kommt.“ EU-seitig ist eine entsprechende Regelung in Arbeit, 2025 soll die Umsetzung starten.

Weitere Ansatzpunkte für eine europäische Vernetzung und Kollaboration in Europa sehen die Fachgesellschaften etwa in gemeinsamen Ausbildungsprogrammen oder der Harmonisierung von Facharztausbildungen und Curricula sowie der Anerkennung von Zulassungen und Zertifizierungen. Ziel ist es, damit die internationale Mobilität von Expertinnen und Experten aus der Hämatologie und Onkologie zu fördern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit in Europa zu erleichtern.

Sprechende Disziplin
Wie wichtig die persönliche Begegnung für den interprofessionellen und interdisziplinären Austausch ist, hat die diesjährige Jahrestagung nach coronabedingter Pause wieder sehr deutlich gemacht. Der Kongress deckte das Fachgebiet Hämatologie und Medizinische Onkologie in seiner gesamten Breite und Tiefe ab und suchte den intensiven Dialog, so auch auf dem integrierten Pflegekongress. „Unser Fach ist eine ‚sprechende‘ Disziplin. Deshalb brauchen wir Möglichkeiten zum effektiven wissenschaftlichen Diskurs ganz unbedingt auch in Präsenz“, so das gemeinsame Fazit von Preusser und Einsele. Die Steilvorlage dafür hatte der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer eigens vorbereiteten Video-Botschaft geliefert: „Die allerbesten Ideen entstehen, wenn sich viele kluge Köpfe um einen Tisch versammeln.“

Acht Nachwuchspreise und zwei Ehrenmitglieder
Wie lassen sich junge Medizinstudierende für das Fachgebiet Hämatologie und Medizinische Onkologie gewinnen? Wie kann die nächste Generation von Fachärztinnen und -ärzten bestmöglich unterstützt werden? Die Fachgesellschaften unterhalten dafür nicht nur eigene Arbeitsgruppen, so etwa die Junge DGHO oder die Young Hematologists & Oncologists Group Austria (YHOGA), sondern veranstalten im Rahmen der Jahrestagung einen eigenen Studententag und loben Nachwuchspreise aus. Die OeGHO vergab 2022 erstmals den Dr. Elisabeth Pittermann-Preis, der die Karrieren junger Frauen in der Hämatologie und Onkologie fördert.

Vincenz-Czerny-Preis (DGHO)
Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Onkologie
Dotierung: 7.500 Euro

Preisträger: Dr. rer. nat. Maik Luu, Würzburg
• Arbeit: „Microbial short-chain fatty acids modulate CD8+ T cell responses and improve adoptive immunotherapy for cancer“
• Journal: Nature Communications
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1038/s41467-021-24331-1

Artur-Pappenheim-Preis (DGHO)
Gebiet: Klinische, experimentelle oder theoretische Fragen der Hämatologie
Dotierung: 7.500 Euro

Preisträger: Dr. Dr. med. MSc. Christian Matek, Erlangen
• Arbeit: „Highly accurate differentiation of bone marrow cell morphologies using deep neural networks on a large image data set“
• Journal: Blood
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1182/blood.2020010568

Preisträger: PD Dr. med. Leo Rasche, Würzburg
• Arbeit: „Homozygous BCMA gene deletion in response to anti-BCMA CAR T cells in a patient with multiple myeloma“
• Journal: Nature Medicine
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1038/s41591-021-01245-5

Doktoranden-Förderpreis (DGHO)
Gebiet: Studienarbeiten oder Dissertationen der Hämatologie und / oder Internistischen Onkologie in den Fächern Medizin, Pharmazie oder Biologie
Dotierung: 3.000 Euro

Preisträger: Dr. med. Simon Renders, Heidelberg
• Arbeit: „Netrin-1 and its receptor Neogenin-1 regulate self-renewal and dormancy of hematopoietic stem cells“
• Journal: Nature Communications
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1038/s41467-020-20801-0

Preisträger: Raphael Kfuri-Rubens, München
• Arbeit: „CXCR6 Positions Cytotoxic T cells to Receive Critical Survival Signals in the Tumor Microenvironment“
• Journal: Cell
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1016/j.cell.2021.07.015

Wolfgang Denk-Preis (OeGHO)
Gebiet: Klinische Onkologie
Dotierung: 5.000 Euro

Preisträgerin: Dr. Angelika Starzer, Wien
• Arbeit: „Tumor DNA methylation profiles correlate with response to anti-PD-1 immune checkpoint inhibitor monotherapy in sarcoma patients“
• Journal: Journal for ImmunoTherapy of Cancer
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1136/jitc-2020-001458

Wilhelm Türk-Preis (OeGHO)
Gebiet: Klinische Hämatologie
Dotierung: 5.000 Euro

Preisträger: Sebastian Kollmann, PhD, Wien
• Arbeit: „A STAT5B-CD9 axis determines self-renewal in hematopoietic 2 and leukemic stem cells“
• Journal: Blood
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1182/blood.2021010980

Dr. Elisabeth Pittermann-Preis (OeGHO)
Gebiet: Förderung von Frauen in der Hämatologie und Onkologie
Dotierung: 5.000 Euro

Preisträgerin: Assoc-Prof. PD Dr. Anna Berghoff, Wien
• Arbeit: „SARS-CoV-2 Testing in Patients With Cancer Treated at a Tertiary Care Hospital During the COVID-19 Pandemic“
• Journal: Journal of Clinical Oncology
• Link zur Publikation: https://doi.org/10.1200/jco.20.01442

Die DGHO-Ehrenmitgliedschaft erhielten in diesem Jahr der Immunologe Prof. Dr. Klaus Rajewsky und die Hämatologin Prof. Dr. Margaret Shipp. Rajewsky, der an der Universität Köln und der Harvard Medical School lehrte und am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch forscht, gilt als einer der einflussreichsten Wissenschaftler seines Fachs. Er hat maßgeblich zur Entwicklung von Mutanten der Maus als Tiermodelle beigetragen. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist dabei die Leukämieforschung, insbesondere die weitere Aufklärung der Mechanismen des Hodgkin-Lymphoms. Zudem ist er Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine. Auch Shipp hat sich in wissenschaftlicher wie ärztlicher Hinsicht besonders um die Hämatologie und Onkologie verdient gemacht. Sie lehrt und forscht an der Harvard Medical School, ebenfalls mit dem Schwerpunkt Hodgkin-Lymphom.

Hamburg richtet die Jahrestagung 2023 aus
Zum Abschluss des viertägigen Kongresses nehmen die Fachgesellschaften bereits das kommende Jahr in den Blick. 2023 wird die Jahrestagung vom 13. bis 16. Oktober in Hamburg stattfinden. Die Kongresspräsidentschaft, die die Organisation und Programmzusammenstellung verantwortet, werden Prof. Dr. med. Claudia Baldus und Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer gemeinschaftlich ausfüllen.

Ausführliche Informationen unter: www.jahrestagung-haematologie-onkologie.com/

Über die DGHO
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. besteht seit 85 Jahren und hat heute rund 4.000 Mitglieder, die in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen tätig sind. Mit ihrem Engagement in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit der Erstellung der Onkopedia-Leitlinien, mit der Wissensdatenbank, mit der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsseminaren sowie mit ihrem gesundheitspolitischen Engagement fördert die Fachgesellschaft die hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten im Fachgebiet.

Über die OeGHO
Die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie hat sich zum Ziel gesetzt, die Betreuung von Patientinnen und Patienten österreichweit an den höchsten Standard heranzuführen. Die OeGHO zählt als Fachgesellschaft aktuell ca. 830 Mitglieder, von denen ein Großteil Fachärztinnen und Fachärzten für Innere Medizin mit Additivfach Hämatologie und Internistischer Onkologie sind. Neben der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften, der Festlegung von Standards für die Facharztausbildung und Ausbildungsstätten und der Erarbeitung von Leitlinien will die OeGHO die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen an der Krebstherapie Beteiligten und die Forschung auf dem Gebiet der Hämatologie und Onkologie aktiv fördern.

Über die SGMO
Die SGMO ist die medizinische Fachgesellschaft der medizinischen Onkologinnen und Onkologen gemäß Art. 19 der FMH-Statuten (FMH = Foederatio Medicorum Helveticorum). Sie umfasst aktuell 410 Mitglieder und hat u. a. folgenden Zweck:
• Sicherstellen der Fort- und Weiterbildung in der medizinischen Onkologie
• Qualitätssicherung und -förderung in der medizinischen Onkologie
• Förderung der integrierten Betreuung von Tumorpatienten
• Interessenvertretung gegenüber Politik, Kostenträgern und anderen Akteuren
• Öffentlichkeitsarbeit

Über die SGH
Die SGH ist die medizinische Fachgesellschaft der HämatologInnen gemäß Art. 19 der FMH-Statuten (FMH = Foederatio Medicorum Helveticorum). Sie umfasst aktuell 350 Mitglieder und hat u.a. folgenden Zweck:
• Sicherstellen der Fort- und Weiterbildung in der Hämatologie
• Qualitätssicherung und -förderung in der Hämatologie
• Interessenvertretung gegenüber Politik, Kostenträgern und anderen Akteuren
• Öffentlichkeitsarbeit

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